Und wenn das Lachen wieder geht, wenn es verschwunden war, abhanden gekommen auf unterschiedlichsten dunklen oder traurigen Wegen, dann ist das ein sehr besonderer Moment. Ein Moment der auch Anderen Erleichterung schenkt und die Gewissheit, dass eine Schranke durchbrochen, eine Last von den Schultern, der Angst den Schrecken genommen wurde.
Wie das Lachen wieder geht, so plötzlich und nah, das habe ich heute mit meiner kleinen Klasse erleben dürfen. Friedfertig und fleißig der Arbeit und dem Lernen versprochen beendeten wir den Unterricht wie jeden Schultag mit einem gemeinsamen Spiel. Ein Spiel, das unser Gedächtnis trainiert, bei dem wir Blödsinn erzählen dürfen, das uns zusammen erinnern lässt. Und uns neu kennen lernen lässt.
Der Schüler, dem das Lachen heute wieder kam, sitzt sehr still und schüchtern in meiner Klasse. Er spricht seit über einem Jahr nur noch im Flüsterton, sein Körper hat alle Spannung aufgegeben und so auch sein Wille, dem Leben einen Sinn zu geben. Er hütet stoisch seinen Platz, schreibt so klein, wie er spricht und schwingt keinerlei Stimmung mit, die während eines Schultages auftritt. Und das ist selten.
Als wir an seinem ersten Schultag in der Klinik am Ende das Spiel begannen, bemerkte ich, wie er das Gesicht immer wieder verzog. Schmerzhaft sah das aus. Ungekannt so eine Mimik. Ähnlich vielleicht dem kurz vor dem Erbrechen oder dem Moment, der vor einem bitterlichen Weinen den Tränen den letzten Anstoß gibt. Im Laufe des Spiels bemerkte ich, dass er sich so zeigte, wenn wir anderen lachen konnten oder Scherze machten. Seine Teilhabe aber war das Wegdrehen vom Tisch und eben dieser Gesichtsausdruck, der mir so fremd war und auch heute noch Rätsel aufgibt.
Nach einer Woche nun in meiner Klasse saßen wir heute wieder an dem Spiel. Der Schüler mischte die Karten, das Tempo schnell. Die ersten Karten gelegt und dazu eine Geschichte mit viel Quatsch erzählt. Jeder mit seinem Beitrag, jeder mit seinem Vermögen. Und da platzte es plötzlich an einer Stelle aus ihm heraus: das losgelöste Lachen, dem er so lange nicht mehr statt geben konnte. Gegen das er sichtlich lange Zeit angekämpft hatte und das unter großen Anstrengungen. Getragen von heiterer Erkenntnis der Mitschüler, dass da jetzt gerade etwas Besonderes geschieht, legte er zeitweise den Kopf auf den Tisch, wischte sich unter Juchzen Tränen aus dem Auge und ließ uns dabei seine kräftige Stimme hören.
Für mich war das heute ein Moment, wie ich ihn noch nicht erlebt habe: da ist ein Schüler zurück gekommen zu sich und seiner Lebensfreude, allein aus der Freude an einem Spiel. Gepaart mit der Heiterkeit der Situation. Und aus seiner eigenen Kraft heraus, es zuzulassen, die Wachsschicht auf seiner Seele durch Lachen zum Schmelzen zu bringen. Dass er uns daran teil haben ließ, mir und seinen Mitschülern Vertrauen schenkte, ihn dabei nicht auszulachen sondern von Herzen mitzulachen, das verankert sich feste in den Erinnerungen an einen guten Schultag.
Und wenn das Lachen wieder geht, kommt Leben zurück.
6 Kommentare
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14. Mai 2013 um 22:26
Sebastian
Ja, das ist gut zu erleben.
Kleine Verwirrung zu Beginn: Verstand, „wenn das Lachen wieder weggeht“. Gelacht.
15. Mai 2013 um 11:20
Der Emil
„Wenn das Lachen wieder geht …“ auch ich war da nicht beim „wieder da ist“, sondern beim weggehen …
Schön, daß es anders war.
15. Mai 2013 um 12:26
hilliknixibix
Na, so sollte das auch sein! 🙂
16. Mai 2013 um 18:19
cloudette
Ist das schön! Schnüff. Rührt mich.
29. Mai 2013 um 20:50
Herzchaosmama
Das lässt mich nun die inneren Tränen spüren.
21. Juli 2013 um 15:53
Dipl.-Psych. Thorsten Kerbs
Noch so eine Blog-Perle, zufällig entdeckt. Danke für den bewegenden Beitrag! Mich freut die Mischung aus so persönlichem wie für mich erhellendem Erlebnisbericht, der jedoch sehr konsequent die Anonymität wahrt.
Ja, und welch‘ ein Glück für die jungen Leute, dass sie nicht nur in der Therapie, sondern auch in ihrer natürlichsten Lebenswelt, am Ort des institutionalisierten Lernens, aufrichtige Anteilnahme erleben dürfen!
Was ja keine Selbstverständlichkeit darstellt. Bewegt sich doch ein hoher Teil des Klinikpersonals im oder am Burn-out (ohne den und seine Auswirkungen für sich und andere zu bemerken). Als Folge dessen ist die Kontaktgestaltung von Krankenschwestern, Therapeuten, Ärzte und Pädagogen mit den Patienten im besten Fall routiniert durchprofessionalisiert. Heranwachsende spüren das, ganz ohne Frage. Sie können jedoch, zumal im psychosomatischen/psychiatrischen Kontext, ihre Empfindungen schwerlich einordnen noch auf die Begegnung zielgerichtet Einfluss nehmen. Sie sind in höchstem Maß abhängig von dem, was aus dem Umfeld an sie herangetragen wird.
Umso schöner, wenn es dort Erwachsene gibt, die ihr Herz öffnen, dabei aber nicht das Maß und die Vernunft verlieren.